Nun ging es weiter zum östlichsten Punkt unserer Reise. Rund 2 Stunden lang war die Baustelle. Die Straße wird auf 4 Spuren erweitert, die Pappelalleen wurden dafür geopfert, es habe nicht nur Platz, sondern auch Sicherheitsgründe. Einige der Bauarbeiter tragen recht neue Schutzwesten mit der Aufschrift „China Road“. Auch hier fehlen Arbeitskräfte, Arbeiter aus Bangladesch sind zum Teil am Werk. Nur wenige der LKWs (unabhängig von den Baustellen-LKW) stammen von westeuropäischen Herstellern. Überschwere LKW sind keine zu sehen. Bei den kleinen Bussen, Art Sammeltaxis, beherrschen Mercedes-Sprinter das Bild. Größe Busse und Lieferwagen sieht man oft mit deutscher Aufschrift. Die Häuser entlang der Strecke sind recht unterschiedlich in Art und Zustand. Die kleinen, einstöckigen Häuser haben oft blaue, schön verzierte Fensterrahmen in einem recht einheitlichen Stil.
Die Landschaft ist sehr grün, Jamila meinte, man müsse irgendwo nur Wasser hingeben und es wachse etwas: Apfel- und Aprikosen-Plantagen, Erdbeeren, Kartoffel, Getreide, selten Mais. Heute ist es weniger dunstig und man sieht die schneebedeckten Berge am anderen Seeufer recht gut.
Es ist der Tag mit den meisten Programmpunkten. Der erste Stopp ist ein landwirtschaftlicher Betrieb, der biologisch arbeitet, nach dem Ende der Kolchosen bei null angefangen hat und heute der größte in ganz Kirgistan ist. Die Zahlen konnte ich mir nicht merken, aber es war erstaunlich mit wie wenig Mitarbeiter der Hof umgetrieben wird. Schwerpunkt sind Pferde, Schafe, Kühe für die Zucht, viele äußerst wertvolle Tiere. Hoch in den Bergen haben sie auch eine Jak-Herde. Angusrinder, die sind aber auch zum Essen und waren auch Teil unseres Mittagsessens. Der Betrieb macht auch Agro-Tourismus, er hat ein kleines Hotel und ein sehr schönes Restaurant. Bei unserer Ankunft durften wir im Erdbeerfeld naschen.
Der nächste Halt war das Przewalski-Museum in einem schönen Park über dem See. Die Pferde sind aber gar nicht der Schwerpunkt, sondern seine Forschungsreisen in Asien und seine Erkenntnisse. Er starb in Karakol auf einer seiner großen Expeditionen, deshalb hier Grab, Denkmal und Museum.
Nun ging es in die Stadt Karakol mit 80 000 Einwohnern, eine der großen in Kirgistan. War das Nordufer des Issykkol-Sees für die Badeurlauber und Erholende, ist Karakol ein touristisches Zentrum als Ausgangspunkt für größere Touren in die südlichen, hohen Berge über 5000 m. Dort zuerst eine alte Moschee aus Holz (man durfte nun reinschauen) und dann eine hölzerne orthodoxe Kirche, trotz Gottesdienst durften wir rein. Beide hatten eine sehr wechselvolle Geschichte durch die Perioden, in denen in der UdSSR die Religionen verboten waren.
Ein Frau mit Einkaufswagen und einem Sohn im Kindergartenalter kam die Straße entlang. Der Kleine rannte zu mir herüber und reichte mir die Hand. Ich war natürlich völlig überrascht und versuchte ihn davon zu überzeugen, dass er nun wieder zu seiner Mama müsse. Machte er dann auch und brachte mir eine Flasche mit dem fermentierten Getreidegetränke, das man in den Städten an fast jeder Ecke kaufen kann (wie üblich, in eine Cola-Flasche abgefüllt). Ich war verunsichert, wie ich damit umgehen sollte. Jamila meinte, es sei ok, ich hole schnell aus dem Rucksack noch einen Schoko-Riegel für den Kleinen. Jamila erklärte, es sein Tradition, kleine Jungs müssten ältere Männer mit Handschlag begrüßen.
Dann Geldwechsel und in den großen Markt bevor er im 18 Uhr schließt. Es waren die üblichen engen Gasse, die Geschäfte oft in und vor Containern. Die Zeit reichte nur für einen kleine Teil des Bazars und ist mit einer Gruppe von acht Leute auch nicht so einfach, die Interessen sind sehr verschieden.
Abendessen gab es dann in der Familie unseres Fahrers. Wenn er im Sommer mit seinem Bus nicht Touristen fährt, ist er mit einer LKW-Zugmaschine unterwegs für das Geschäft, das auch zur Familie gehört. Pferde und Schafe hat er auch, den Schafen statteten wir hinter dem Haus nach dem Essen noch einen Besuch ab. Der Esstisch war übervoll, kann ich gar nicht alles beschreiben, das Essen war sehr lecker und immer wieder gab es eine Runde Schnaps. Die Oma war am meisten begeistert von unserem Besuch und schwang einige Reden. Getanzt wurde auch noch, incl. Oma.

 

 

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